\section{Statik} \subsection{Statische Äquivalenz} Zwei Kräftegruppen $\{ \vect{G}_1 \}, \{ \vect{G}_2 \}$ sind statisch äquivalent, wenn \begin{center} \eqbox{$P_{tot}(\{ \vect{G}_1 \}) = P_{tot}(\{ \vect{G}_2 \})$} \end{center} für alle Starrkörperbewegungen gilt. Dies ist der Fall, wenn \begin{center} \eqbox{$\vect{R}_2 = \vect{R}_1 \qquad (\vect{M}_B)_2 = (\vect{M}_B)_1$} \end{center} Zwei \emph{Kräfte} sind statisch äquivalent, wenn sie vektoriell gleich sind und ihre Wirkungslinien übereinstimmen. \textbf{Gilt nur innerhalb vom SK!} \subsection{Dyname} Die Dyname einer Kräftegruppe ist \eqboxf{$\{ \vect{R},\vect{M}_B \}$} \medskip Mit den \emph{Invarianten} ($\forall P \in SK$): \eqbox{$\vect{I}_1 = \vect{R}$} und \eqbox{$ I_2 = \vect{R} \cdot \vect{M}_P$} \medskip Eine Kräftegruppe (KG) ist statisch äquivalent zu: \begin{center} \begin{tabular}{R{2cm} l l} \toprule Gleichgewicht (Nullsystem): & $\vect{R} = \vect{0}, \, \vect{M}_P = \vect{0}$ & $\vect{I}_1 = \vect{0}$ und $I_2 = 0$ \\[0.5mm] Kräftepaar: & $\vect{R} = \vect{0}, \, \vect{M}_P \neq \vect{0}$ & $\vect{I}_1 = \vect{0}$ und $I_2 = 0$ \\[0.5mm] Einzelkraft: & $\vect{R} \neq \vect{0}, \, \vect{M}_P = \vect{0}$ & $\vect{I}_1 \neq \vect{0}$ und $I_2 = 0$ \\[0.5mm] Schraube: & & $\vect{I}_1 \neq \vect{0}$ und $I_2 \neq 0$ \\ \bottomrule \end{tabular} \end{center} Ergänzung: Bei $\vect{R} \perp \vect{M_P}$ gibt es einen Punkt $O$, so dass $\vect{M}_O = \vect{M}_P + \vect{R} \times \vect{r}_{PO} = \vect{0}$. \medskip \begin{minipage}{0.6\linewidth} \textbf{Kräftepaar}: \begin{tabular}{r p{0.8\linewidth}} - & $\vect{M}_O = \vect{r} \times \vect{F} \qquad M_O = d F$ \\ - & Moment ist unabhängig von Bezugspunkt ($M_O = M$) \\ \end{tabular} \end{minipage} \begin{minipage}{0.35\linewidth} \includegraphics[width=1\textwidth]{Figures/Kraeftepaar.jpg} \end{minipage} \subsection{Parallele Kräftegruppen} Parallele Kräftegruppen (KG) lassen sich auf ein Moment oder eine Einzelkraft reduzieren. Es gibt zwei Fälle: \medskip \textbf{a)} Falls $\vect{R} = 0$, kann man die KG auf ein vom Bezugspunkt unabhängiges Moment $\vect{M}$ reduzieren. Man definiert das Dipolmoment der KG als: \begin{center} \eqbox{$\vect{N} = \sum\limits_{i = 1}^n F_i \vect{r_i}$} \qquad $\vect{M} = \vect{N} \times \vect{e}$ wobei $\vect{e}$ in Richtung der Kräftegruppen zeigt. \end{center} In der \emph{Elektrostatik} ($\vect{R} = 0 \Leftrightarrow Q = \sum q_i = 0$): \begin{center} \eqbox{\begin{tabular}{r l} Auf die Ladungen wirkende Kraft: & $\vect{F}_i = q_i \vect{E}$ \\ Dipolmoment Punktladungsgruppe: & $\vect{P} = \sum\limits_{i = 1}^n q_i \vect{r}_i \quad \vect{N} = E \vect{P}$ \\ \end{tabular}} \end{center} \textbf{b)} Falls $\vect{R} \neq 0$, kann man die Kräftegruppe auf eine Einzelkraft reduzieren mit dem Kräftemittelpunkt $C$ der Kräftegruppe: \begin{center} \eqbox{$\displaystyle\vect{r}_{OC} = \dfrac{1}{\sum F_i} \sum F_i \cdot \vect{r}_i$} \end{center} \subsection{Schwerpunkt (= Massenmittelpunkt)} Der Kräftemittelpunkt der Gewichtskraft heisst Schwerpunkt. Allg: \begin{center} \eqbox{$\vect{r}_{OC} = \dfrac{1}{m} \displaystyle\iiint \vect{r} \d m$ wobei $m = \displaystyle\iiint \d m$} \end{center} Für homogene Körper, d.h. überall gleiche Dichte, gilt: \begin{center} $\d m = \gamma \d V$ \qquad Dichte: $[\gamma] = \frac{kg}{m^3}$ \medskip \eqbox{$\vect{r}_{OC} = \dfrac{1}{\gamma V} \displaystyle\iiint \vect{r} \gamma \d V = \dfrac{1}{V} \displaystyle\iiint \vect{r} \d V$} \end{center} Bei homogenen 2D-Körper vereinfacht sich das Integral zu: \begin{center} \eqboxf{$\vect{r}_{OS} = \dfrac{1}{\sum A_i} \sum A_i \vect{r}_{OS_i}$} \eqboxf{$\displaystyle x_s = \dfrac{\sum x_i \cdot A_i}{\sum A_i} \qquad y_s = \dfrac{\sum y_i \cdot A_i}{\sum A_i}$} \end{center} $A_i$ kann auch die Masse des Körpers sein. \\ Mit folgenden Teilkörpern und ihren Schwerpunkten: \begin{center} \begin{tabular} {r l l} \toprule Kreis: & $\vect{r}_{OS} = \begin{bmatrix}R \\ R \\ \end{bmatrix}$ & $A = \pi r^2$ \\ Halbkreis: & $\vect{r}_{OS} = \begin{bmatrix}0 \\ 4R / (3\pi) \\ \end{bmatrix}$ & $A = \frac{1}{2}\pi r^2$ \\ Rechteck: & $\vect{r}_{OS} = \begin{bmatrix}a / 2 \\ b / 2 \\ \end{bmatrix}$ & $A = a \cdot b$ \\ Dreieck & $\vect{r}_{OS} = \dfrac{\vect{r}_A + \vect{r}_B + \vect{r}_C}{3}$ & $A = \dfrac{b \cdot h_b}{2}$ \\ \bottomrule \end{tabular} \medskip \includegraphics[width=0.31\textwidth]{Figures/Schwerpunkt.jpg} \end{center} \subsection{Hauptsatz der Statik} Ein System ist in Ruhe, wenn alle Geschwindigkeiten \emph{null} sind. Notwendig dafür (aber nicht hinreichend) ist, dass die äusseren Kräfte im Gleichgewicht sind. Gleichgewichtsbedingungen: \begin{center} \begin{tabular}{r l} \toprule Komponentenbedingungen (KB): & \eqboxf{$\vect{R} = \vect{0}$} \\ Momentenbedingung (MB): & \eqboxf{$\vect{M}_O = \vect{0}$} \\ \bottomrule \end{tabular} Der Bezugspunkt für das Moment ist frei wählbar! \end{center} Im Raum kriegt man so 6 Gleichung und in der Ebene 3 Gleichungen. \medskip \textbf{Freischnitt}: Um die Gleichgewichtsbedingungen zu überprüfen muss man zuerst einen Freischnitt des Systems machen, d.h. man erstellt eine Skizze mit allen am System angreifenden Kräften (Bindungen $\Rightarrow$ Bindungskräfte!). \medskip \textbf{Zusatzbedingungen}: \begin{tabular}{l l} \toprule i) & Seilkraft: $S > 0$ (nur auf Zug) \\ ii) & Auflager: $F_y > 0$ (kein Abheben) \\ iii) & Reibung, Standfestigkeit \\ \bottomrule \end{tabular} \vfill\null Falls man alle Lager- und Bindungskräfte bestimmen will, so lohnt sich die Auftrennung des Systems in Teile und die Anwendung des Hauptsatzes auf alle Teile. Ist aber nur eine Kraft gesucht, dann ist das PdvL am besten geeignet. \medskip Sind mehrere Stabkräfte benötigt in einem System, dann kann es sich lohnen einen Kräfteschnitt auszuführen, d.h. das System geschickt für die gesuchten Stabkräften in zwei aufzuteilen. \subsection{Bindungskräfte} Allgemein versteht man unter einer Bindung eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit eines Körpers. Bindungen erzeugen Kräfte oder Momente, die in die behinderte Richtung der Bewegung gerichtet sind. \begin{center} \includegraphics[width=0.31\textwidth]{Figures/Bindungskraefte.jpg} \end{center} \vfill \subsection{Prinzip der virtuellen Leistungen (PdvL)} Ein System befindet sich \emph{genau dann} in einer Ruhelage, \emph{wenn} die virtuelle Gesamtleistung der inneren und äusseren Kräfte bei \emph{jedem} virtuellen Bewegungszustand verschwindet (und die Eigenschaften des Systems und seiner Lagerung diese Kräfte zulassen). Formell: \begin{center} \eqbox{$\tilde{P} = \tilde{P}^{(i)} + \tilde{P}^{(a)} = 0 \quad \forall \{\tilde{\vect{v}}\}$} Wobei $\tilde{\vect{v}}, \, \tilde{\vect{\omega}}$ virtuelle Bewegungszustände sind. \end{center} Im Klartext kann man sagen: \eqboxf{$\tilde{P}_{tot} = \sum \vect{F}_i \cdot \tilde{\vect{v}}_i = 0$} \medskip Zulässige virtuelle Bewegungszustände sind Zustände, die keine Bindungen verletzt, d.h. man muss sich an die Systemeigenen Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten halten! \subsection{Fachwerke} Fachwerke bestehen aus gelenkig gelagerten Pendelstäben. Annahmen: \begin{center} \begin{tabular}{r l p{120pt}} \toprule i) & Gelenke Reibungsfrei & $\Rightarrow$ keine Reibungskräfte \\ ii) & Stäbe gewichtlos & $\Rightarrow$ keine Gewichtskräfte \\ iii) & Knoten nur an Stabenden \\ iv) & Alle lasten in den Knoten & $\Rightarrow$ $\vect{F}^{(a)}$ greifen an Gelenken an \\ \bottomrule \end{tabular} \end{center} Ausserdem können die Stäbe nur axial belastet werden, d.h. die Stabkräfte sind ausschliesslich parallel zur Stabrichtung. \subsection{Stabkräfte} Pendelstäbe können nur Kräfte parallel zur Stabrichtung aufnehmen. Lösungsverfahren wenn einzelne Stabkräfte gesucht sind: \begin{center} \begin{tabular}{r l} \toprule i) & Lager/Stab entfernen (FG + 1), und entsprechende \\ & Stabkraft $S$ in Skizze einsetzen \\ ii) & Einen virtuellen Bewegungszustand einführen und alle \\ & für das PdvL nötige $\tilde{\vect{v}}_i$ berechnen \\ iii) & PdvL anwenden und nach Stabkraft $S$ auflösen \\ & Bindungskräfte sind nicht erforderlich! ($\vect{v} = 0$ oder $\vect{v} \perp \vect{F}$) \\ \bottomrule \end{tabular} \end{center} \begin{minipage}{0.5\linewidth} \includegraphics[width=\textwidth]{Figures/Zug-Druckstabe.jpg} \end{minipage} \begin{minipage}{0.45\linewidth} \begin{center} \eqbox{\begin{tabular}{r l} $s > 0$ & $\Rightarrow$ Zugstab \\ $s < 0$ & $\Rightarrow$ Druckstab \\ \end{tabular}} \end{center} \end{minipage} \subsection{Statische und Kinematische Bestimmtheit} \textbf{Statische Bestimmtheit}: Ein System ist statisch bestimmt, wenn die Anzahl der Bindungskräfte und Momente (unabhängig von Belastungen) gleich der Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen ist. \medskip \textbf{Kinematische Bestimmtheit}: Wenn $FG > 0$ ist, dann ist das System kinematisch unbestimmt, ansonsten ist es kinematisch bestimmt. \medskip \begin{tabular}{r l l} \toprule $FG = 0$ & Statisch bestimmt & Kinematisch bestimmt \\ $FG < 0$ & Statisch unbestimmt & Kinematisch bestimmt \\ $FG > 0$ & Statisch unbestimmt & Kinematisch unbestimmt \\ \bottomrule \end{tabular} \vfill \subsection{Knotengleichgewicht} Pendelstäbe können nur Kräfte parallel zur Stabrichtung aufnehmen. Lösungsverfahren wenn alle Stabkräfte gesucht sind: \medskip \begin{tabular}{r l} \toprule i) & Knoten freischneiden und Hauptsatz der Statik anwenden \\ ii) & Pro Knoten 2 Gleichgewichtsbedingungen \\ & $\Rightarrow$ An Knoten starten mit $\leq 2$ Kräften \\ iii) & Erforderliche Bindungskräfte berechnen \\ \bottomrule \end{tabular} \subsection{Flaschenzug} In der Statik triff man beim Flaschenzug folgende Annahmen: \begin{center} \begin{tabular}{r l} \toprule i) & Undehnbares Seile $\Rightarrow$ Überträgt Geschw. \& Kraft 1:1 \\ ii) & Flaschenzüge masselos \\ iii) & Seile um Flaschenzüge gewickelt und rutschen nicht darüber \\ iv) & Bewegung in horizontaler Richtung nicht möglich \\ \bottomrule \end{tabular} \end{center} Wenn ein Seil ohne äussere Einwirkungen eine frei drehbare Rolle umläuft, bleibt die Seilkraft vor und nach der Rolle gleich. \medskip Lösungsansatz: Je nachdem entweder PdvL oder Hauptsatz der Statik. \subsection{Standfestigkeit} Die Standfestigkeit gilt als Zusatzbedingung für ein Ruhesystem. \begin{center} \eqboxf{\begin{tabular}{p{230pt}} Ein System ist standfest (kein Kippen), wenn der Durchstosspunkt $A$ der Normalkraft $N$ innerhalb der Standfläche liegt. \\ \end{tabular}} \end{center} Die Standfläche ist die kleinste konvexe Fläche, die die Berührungsfläche umschliesst. \medskip Normalkraft: \eqbox{$N = \iint \d N$} wobei $\vect{N} \perp$ Standfläche \begin{center} \includegraphics[width=0.3\textwidth]{Figures/Standfestigkeit.jpg} \end{center} Um die Standfestigkeit zu überprüfen führt man $N$ mit einer Distanzvariable $d$ ein, welche einen höchstwert nicht überschreiten darf (Durchstosspunkt muss innerhalb der Standfläche sein). \medskip Ist Standfestigkeit vorgegeben und die Bedingung damit das System nicht kippt gesucht, dann kann man auch direkt die Momentbedingung als Ungleichung aufstellen. \vfill\null \columnbreak \subsection{Reibung} \begin{minipage}{0.5\linewidth} Materialabhängige Koeffizienten: \end{minipage} \begin{minipage}{0.47\linewidth} \begin{tabular}{r l} \toprule $\mu_0$ & Haftreibungskoeffizient \\ $\mu_1$ & Gleitreibungskoeffizient \\ $\mu_2$ & Rollwiderstandslänge \\ \bottomrule \end{tabular} \end{minipage} \begin{center} \includegraphics[width=0.32\textwidth]{Figures/Reibung_2.jpg} \end{center} Zusatzbedingungen für ein ruhendes System: \begin{center} \renewcommand{\arraystretch}{1.5} \eqboxf{\begin{tabular}{r l} Haftreibungsgesetz & $|\vect{F}_r| \leq \mu_0 |\vect{N}|$ \\ Rollwiderstandsgesetz bei Ruhe & $|\vect{M}_f| \leq \mu_2 |\vect{N}|$ \\ \end{tabular}} \end{center} Ist das System in Bewegung, dann gibt es zusätzliche Gleichung(en): \begin{center} \renewcommand{\arraystretch}{1.5} \eqbox{\begin{tabular}{r l} Gleitreibungsgesetz & $| \vect{F}_r | = \mu_1 | \vect{N} |$ \\ & $\vect{F}_r = -\mu_1 |\vect{N}| \frac{\vect{v}_B}{|\vect{v}_B|}$ \\ Rollwiderstandsgesetz bei Bewegung & $|\vect{M}_f| = \mu_2 |\vect{N}|$ \\ & $\vect{M}_f = - \mu_2 |\vect{N}|\frac{\vect{\omega}}{|\vect{\omega}|}$ \\ \end{tabular}} \end{center} Ideal rau (beim Zahnrad) ist: $\mu_0 = \infty \quad \mu_2 = 0$ \begin{center} \includegraphics[width=0.32\textwidth]{Figures/Reibung.jpg} \end{center} \vfill